Reichskanzler Otto v. Bismarck
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Otto Eduard Leopold von Bismarck, genannt der Eiserne Kanzler, (* 1. April 1815 in Schönhausen (heute Sachsen-Anhalt), † 30. Juli 1898 in Friedrichsruh bei Hamburg), war der Gründer und erste Reichskanzler des Deutschen Reiches.
Er war seit 1865 Graf von Bismarck-Schönhausen, seit 1871 Fürst von Bismarck und seit 1890 Herzog von Lauenburg. Letzteren Titel, den er bei seiner Entlassung erhielt, führte er niemals. Er ließ auch Post zurückgehen, die so adressiert war.
Leben
Otto von Bismarck studierte Rechtswissenschaften in Göttingen und war Mitglied des Corps Hannovera Göttingen. Danach war er an Gerichten und Behörden tätig, zugleich leistete er seinen einjährigen Militärdienst ab. 1838 verließ er den Staatsdienst, weil ihm der bürokratische Routinebetrieb nicht zusagte und beginnt seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger. Nach dem Tod seiner Mutter wurde er Landwirt und übernahm die Bewirtschaftung des Bismarckschen Besitzes Schönhausen. Dass er auch darin allein nicht seinen Lebensinhalt finden konnte, zeigte sich in politischen Ambitionen, aber auch in ausgeprägter Beschäftigung mit Philosophie, Kunst, Religion und Literatur. Schon damals war er ein meisterlicher Redner und Briefe-Schreiber. 1847 heiratete er in Reinfeld (Pommern) Johanna von Puttkamer (1824-1894), wie er es seiner wahren Liebe und Johannas bester Freundin, Marie von Thadden, vor deren Tod versprochen hatte. Dieser Ehe entstammt sein Sohn Herbert. Zu dieser Zeit wurde er auch politisch aktiv als Mitglied des preußischen Vereinigten Landtages. 1849 und 1850 gehörte er der Zweiten Kammer des Landtages an und war Wortführer des äußersten rechten Flügels. Während der Märzrevolution von 1848/49 profilierte er sich als konsequenter Verteidiger des monarchischen Prinzips. Einen auf Volkssouveränität gegründeten deutschen Nationalstaat, wie ihn die Frankfurter Nationalversammlung proklamierte, lehnte er ab - Preußen sollte Preußen bleiben. Obwohl Bismarck keine diplomatische Ausbildung besaß, wurde er 1851 zum preußischen Gesandten beim Bundestag in Frankfurt ernannt. Dieses Amt behielt er bis 1859 inne. 1859-1862 war er Gesandter in St. Petersburg, 1862 kurzfristig Botschafter in Paris. Am 23. September 1862 wurde Bismarck von König Wilhelm I. im Verfassungskonflikt zum preußischen Ministerpräsidenten, am 8. Oktober 1862 dann noch zum Außenminister berufen. Bismarck war als Monarchist bekannt und bot als einer der wenigen die Garantie, bedingungslos für den preußischen König gegen das Parlament die notwendige Militärreform durchzusetzen.
Einigung Deutschlands unter preußischer Führung
1864 führte Preußen im Bunde mit Österreich erfolgreich den Deutsch-Dänischen Krieg um Schleswig-Holstein. In der Folge zeigte sich, dass ein Konflikt und damit ein Krieg mit Österreich um die Vormachtstellung in Deutschland unausweichlich würde. Der Deutsch-Österreichische Krieg gegen Österreich im Jahre 1866 verursachte die Auflösung des Deutschen Bundes, wobei Bismarck gegen den Widerstand des Militärs eine Demütigung Österreichs vermied (Kleindeutsche Lösung). Bismarck setzte sich sogar gegen den König durch, der den Krieg zunächst weiterführen wollte. In der Folge wurde 1867 unter immensen Gebietsgewinnen Preußens der Norddeutsche Bund gegründet. Mit den süddeutschen Staaten wurden Schutzbündnisse abgeschlossen; Bismarck wurde Kanzler.
Infolge der Stärkung Preußens steigerten sich die deutsch-französischen Gegensätze so, dass die spanische Thronkandidatur von Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 führte (zu den Kriegsgründen vergleiche Emser Depesche). Bismarck hatte zuvor den Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund erreicht. Seine Bemühungen um die nationale Einigung gipfelten nach dem Sieg der deutschen Truppen in der Kaiserproklamation Wilhelms I. am 18. Januar 1871 in Versailles und der Gründung des Deutschen Reiches.
Bismarck erreichte durch den Frieden von Frankfurt zudem den territorialen Zugewinn von Elsaß-Lothringen. Die Gründung des Deutschen Reichs wurde maßgeblich von Bismarck initiiert, wobei sein enger Vertrauter Rudolf von Delbrück die Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten führte. Bismarck wurde erster Reichskanzler, blieb aber zudem wie vorgesehen preußischer Ministerpräsident.
Innenpolitik
Bismarck wurde 1862 durch den Konflikt um die Heeresreform zwischen dem preußischen Landtag und dem preußischen König Wilhelm I. trotz des heftigen Widerstands von dessen Gemahlin, der Königin Augusta, zum preußischen Ministerpräsidenten berufen. Um die Heeresreform, die Preußen militärisch stärken sollte, auch ohne die Zustimmung des Parlamentes durchsetzen zu können, berief er sich auf die so genannte Lückentheorie, indem er darlegte, der Fall des unauflöslichen Dissenses zwischen Monarch und Parlament sei in der Verfassung nicht geregelt, es liege also eine Lücke vor, die durch die Prärogative des Königs geschlossen werden müsse. Diese Verfassungsinterpretation ist zumindest stark angreifbar und nach Auffassung vieler ein schlichter Verfassungsbruch. Nach dem Sieg über Österreich brachte Bismarck 1866 die Indemnitätsvorlage im Reichstag ein, um seinen Verfassungsbruch nachträglich zu legitimieren. Die Abstimmung über diese Frage spaltete die liberale Partei.
Von 1871 bis 1878 führte Bismarck den so genannten Kulturkampf gegen die katholische Kirche und die katholische Zentrumspartei, da er fürchtete, diese seien "Reichsfeinde" und dem Papst mehr zugetan als dem deutschen Kaiser. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wurden Rechte und Machtstellung der Kirche durch Reichs- und preußische Landesgesetze beschnitten (Kanzelparagraph, Brotkorbgesetz) und auch die Zivilehe eingeführt. In diesem Zusammenhang äußerte Bismarck in einer Reichtstagsrede den bekannten Satz: "Seien Sie außer Sorge, nach Canossa gehen wir nicht - weder körperlich noch geistig."
Bismarcks zunehmend konservative Politik (Verstaatlichungen, Protektionismus, autoritäre Innenpolitik) führte ab 1876 zur Kanzlerkrise: nachdem bereits 1876 sein liberaler Amtsleiter Rudolf von Delbrück unter Protest zurückgetreten war, konnte sich Bismarck im März 1877 beim Kaiser nicht mit seiner Forderung durchsetzen, den preußischen Staatsminister Albrecht von Stosch zu entlassen. Dieser war enger Vertrauter des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm und wurde von Bismarck als potentieller Nachfolger gefürchtet. Verärgert über seinen Mißerfolg beim Kaiser, trat Bismarck bis Januar 1878 einen längeren Urlaub an.
1878 nahm er dann das zweite Attentat auf Kaiser Wilhelm I. zum Anlass, das Sozialistengesetz im Reichstag zu initiieren, welches bis 1890 in Kraft blieb. Dieses Ausnahmegesetz, das seinen Zweck letztlich verfehlte, erlaubte es, die sozialistische Agitation zu verbieten, ließ jedoch die politische Arbeit der Sozialdemokratischen Partei in Wahlmandaten wie beispielsweise im Reichstag unangetastet. Die "Peitsche" des Sozialistengesetzes ergänzte er durch das "Zuckerbrot" sozialer Reformen. Bismarck versuchte, die Arbeiterschaft mit dem Staate zu versöhnen, indem er 1881-1889 weit reichende Sozialgesetze zur Kranken-, Unfall-, Renten- und Invaliditätsversicherung durchsetzte.
Außenpolitik
Voraussetzung für Bismarcks erfolgreiche Außenpolitik war die "Saturiertheit" des Reiches nach der Reichseinigung von 1871, das heißt der Verzicht auf weitere Expansion und weitere Annexionen. So konnte er durch eine geschickte Bündnispolitik das europäische Mächtegleichgewicht erhalten, einer Isolierung Deutschlands vorbeugen und Kriege der Nachbarn gegen das Deutsche Reich, aber auch gegeneinander verhindern (Berliner Kongress 1878). Grundlage der Bündnispolitik war das Dreikaiserabkommen von 1873 mit Österreich-Ungarn und Russland, das 1881 nochmals als Dreikaiserbund bestätigt wurde.
1879 konnte er den Zweibund mit Österreich-Ungarn abschließen, der mit dem Beitritt Italiens 1882 zum Dreibund erweitert wurde. Ein großer außenpolitischer Erfolg war der Rückversicherungsvertrag 1887 mit Russland. Auf Grund seiner geographischen Lage und seiner neuerworbenen Stärke war das neuentstandene Deutsche Reich prinzipiell ständig in der Gefahr eines Zweifrontenkrieges. Wenn dann noch innere Zerrissenheit durch die von v. B. immer bekämpfte Parlamentsherrschaft hinzukam, war das Land in seinem Bestande gefährdet. Dieser cauchemar des coalitions (Alptraum der [inneren und äußeren] Koalitionen) war die Hauptgefahr seit der Reichsgründung. Sie abzuschwächen war alleiniges außenpolitisches Ziel der Bismarckschen Bündnispolitik.
"Der Lotse geht von Bord"
Bismarcks Sturz im Jahr 1890 ist v.a. auf das Scheitern eines von ihm vorgelegten verschärften Sozialistengesetzes im Reichstag zurückzuführen, das er gegen die durch bedeutende Wahlerfolge im Januar erstarkten Sozialdemokraten einsetzen wollte. Zudem wünschte der junge Kaiser Wilhelm II. künftig eine eigene Politik, frei von Bismarcks Einfluss, zu gestalten. Nach seiner entwürdigenden Entlassung (Bismarck selbst: "...die ich ein Leichenbegängnis erster Klasse mit Recht nennen konnte.") am 20. März 1890 durch Wilhelm II. setzte wenig später eine beispiellose Bismarck-Verehrung ein (Bismarck-Türme, Bismarck-Denkmäler, Bismarckstraßen und Bismarckgesellschaften). Bismarck starb am 30. Juli 1898 in Friedrichsruh. Er wurde in einem Mausoleum auf Friedrichsruh neben seiner Frau begraben. Eine Büste wurde in der Walhalla aufgestellt und er ist außerdem Ehrenbürger der Städte Darmstadt, München, Hamburg, Wandsbek, Kassel, Köln, Detmold, Zwickau sowie seit 1895 aller badischen Städte.
Bismarck selbst wurde 1891 Mitglied des Kreistages von Stormarn.
Bismarck diktierte nach seiner Entlassung seine Memoiren, die unter dem Titel "Gedanken und Erinnerungen" veröffentlicht wurden. Der zweite Teil dieses Buches, in dem er sich sehr kritisch mit seiner Zeit als Kanzler unter Kaiser Wilhelm II. auseinandersetzt, sollte erst nach dessen Tod erscheinen. Mit der Revolution in Deutschland 1918 und dem Exil des Kaisers gingen die gesammelten Memoiren aber gegen den Protest der Bismarck-Familie bereits 1919 in Druck.
Bewertungen
Bismarck war und ist eine Ikone der Konservativen und eine Hassfigur der Linken. Seine Machtpolitik bereitete ihm schon zu Lebzeiten zahlreiche Feindschaften, aber auch viele Bewunderer. Seine bedeutenden Erfolge machten ihn jedoch weitgehend unangreifbar. Kritiker wenden heute oft ein, dass, indem B. das Deutsche Reich "nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse, sondern durch Eisen und Blut" (B. in der Budgetkommission 1862) schuf, er die Grundlage für die machtpolitischen Verflechtungen, die zum Ersten Weltkrieg führten, bewirkte. Dagegen war sich B. der besonderen Gefahren, die vom Balkan schon damals ausgingen, bewusst: "Die Händel auf dem Balkan sind mir nicht die Knochen eines einzigen pommerschen Musketiers wert." Während B. für "seine" Sozialgesetzgebung bis heute gerühmt wird, wird er wegen der Verfolgung von so genannten "Reichsfeinden" durch Kulturkampf und Sozialistengesetz kritisiert. Dass Bismarck die Reichsverfassung von 1871 auf seine Person zuschnitt, hat sich als fatal herausgestellt. Aber seine Nachfolger verstanden es nicht, grundlegende (und notwendige) Reformen der Staatsstruktur (beispielsweise Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts in Preußen oder Parlamentsverantwortlichkeit der Regierung) durchzusetzen.