Willkommen

Diese Seite ist als Teil der Plattform für mehr individuelle Freiheit dem Themenkomplex "Liberal-Sozialistischer Dialog" gewidmet. Alle hier veröffentlichten Texte können im Diskussionsforum der Plattform diskutiert werden.

Aktuelle Texte

Die Einträge geben ausschließlich die persönliche Meinung der jeweiligen Autoren wieder.

Lebt die Arbeiterbewegung?

Um den ersten Mai herum erinnert sich die Journaille immer der Arbeiterbewegung und fragt: Na, lebt sie noch? In diesem Jahr dürfte die Antwort wohl eindeutig ausgefallen sein. Eine erfolgreiche Tarifrunde bei der IG Metall und ein in der gesamten Republik populärer Streik bei der Telekom gegen Auslagerung von Diensten in Gesellschaften mit schlechteren Vertragsbedingungen zeigen, dass die Arbeiterbewegung nicht nur der Popanz ist, den die politische Klasse am ersten Mai herausholt, um zu zeigen, dass sie dem Populismus noch andere Facetten abringen kann. Ist die Arbeiterbewegung etwas, womit die Herrschenden wieder rechnen müssen?

Aus der kritischen Innenbetrachtung sieht die Chose doch schon etwas differenzierter aus. Der Tarifrunde ging eine von Zaghaftigkeit geprägte Debatte des der Arbeiterbewegung nahe stehenden politischen Lagers aus, die generell dem Aufschwung einen nahen Tod durch den Dolchstoß der erhöhten Mehrwertsteuer prophezeite. Dass der Aufschwung doch kam, zeigte, dass die ökonomische Kompetenz der Arbeiterbewegung und Apologeten völlig desaströs ist. Der Aufschwung kam, weil er dem Investitionswunsch der Unternehmer folgte, die nach Jahren der Restrukturierung und Anpassung der Kapazitäten die Profitabilität sahen, die ihnen wieder Mut zu Investments verlieh. Ein weiterer Impuls kam natürlich durch die Investitionen in China zustande, die eben auch Investitionen in Kapitalgüter oder langlebige Konsumgüter darstellen. Und nicht zuletzt haben sich alle Staaten der Welt verschworen, diesem zarten ökonomischen Pflänzchen durch Gelddrucken Feuer unter dem Hintern zu machen - allen voran die Volksrepublik China, die USA und Japan - jeweils mit wechselnden Begründungen, aber gleicher Wirkung: Die Geldvermehrung von heute ist die Reszession und die Kapitalvernichtung von morgen.

Diese Tatsachen entsprechen sozusagen in keinem einzigen Punkt der keynesianischen Wunderlehre des politischen Arms der Arbeiterbewegung, aber nichts desto trotz nutzte die Klasse den Überhang an Nachfrage gegenüber dem aktuellen Arbeitskräfteangebot, um die Preise für den Faktor Arbeit kräftig nach oben zu treiben. Zugestanden - jeder muss, wie er muss. Man soll die Feste feiern wie sie fallen. Aber im Anpassungsprozess des Lohngefälles zwischen der saturierten Industriemetropole Deutschland und der ausgehungerten osteuropäischen, asiatischen oder südamerikanischen Konkurrenz wird dieser untypische Ausschlag der Lohnentwicklung nach oben allenfalls eine Episode bleiben. Fakt ist: Es geht bergab!

Dies zeigt auch das Ansinnen der Telekom, Löhne und Arbeitszeiten der Dienstleistungsmitarbeiter, die in Wettbewerb zu Call Centern in Polen und prekarisierten Handwerksbuden im flachen Land stehen, an die Marktbedingungen anzupassen - der Druck auf die Arbeiter der privilegierten Metropolen geht weiter! Natürlich ist es frech, wenn ein Unternehmen den Leuten jahrelang vorgaukelt, sie hätten ein Leben lang die gleichen Konditionen, und dies dann im Schutz des restlichen Monopols aufkündigt und - wir werden es noch sehen - sekundiert von der politischen Klasse jeder Farbe durchsetzt! Aber ver.di kämpft jetzt nicht nur einen heldenhaften Kampf der "Guten" gegen die "Bösen", sondern verbreitet Illusionen bei den Mitgliedern, die nur im Desaster und im nachfolgenden Mitgliederschwund enden können, ja müssen. Das Schlimme ist, dass ver.di mit dieser Politik die Arbeiterbewegung enthauptet und in der sicheren Niederlage verheizt. Herrn Bsirske persönlich mag es ja nützen.....

Es ist natürlich verführerisch. Da haben die Prolos jahrzehntelang hinterm Ofen gehockt und sich nicht bewegt, was die Alt-68-er auch bettelten und flehten. Und nun, wo sie aus der Etappe herauskommen, wohin man sie eigentlich schleunigst zurückschicken müsste, da lassen sie sich so geil als Kanonenfutter verheizen, dass das Funktionärsherz nur so hüpft. Überzogene Bürokratenschelte? Naja, die Tarifrunde hätte sowieso so laufen müssen. Aber der Kampf für die Privilegien der alten Staatsbuden wird irgendwann ohnehin zum schalen Beigeschmack werden, nämlich dann, wenn die Konsumenten merken, dass die Qualität der Dienstleistungen ohne oder mit Streik gleich schlecht ist.

Bleibt als Fazit nur ein Hoffnungsschimmer: Wenn der Staat, der alte Blutsauger, mal irgendwann Panik kriegt und seine Anteile komplett verkauft, dann wird richtig privatisiert. Dann stehen die Telekom-Manager mit ihrem nicht mehr geschützten Markt plötzlich im rauhen Wind des Wettbewerbs. Dann wird dieser die Wertschätzung dafür durchsetzen, auf was es ankommt: auf Kompetenz, Servicegrad und Schnelligkeit. Dann werden vielleicht die jahrzehntelang verzärtelten Telekommitarbeiter nicht die Gewinner sein, aber die Mitarbeiter all der privaten Telefonanbieter, für die dann eine rege Nachfrage entbrennt. Dann würde der reine Kapitalismus den Staatskapitalisten den Garaus machen und den Werktätigen die Chancen zur Verwertung ihrer Arbeitskraft anbieten, die ihnen zustehen.



zum Portal | Text diskutieren | eingestellt von sadie am 21.05.2007